Homeoffice ist in aller Munde. Viele Arbeitnehmer, die zuvor noch nie mit dieser Form des dezentralen und flexiblen Arbeitens in Berührung geraten sind, müssen nun einen wichtigen und nachhaltigen Lernprozess anstoßen. Dabei zeigen unsere aktuellen Daten, dass nicht jeder (unabhängig der technischen Ausrüstung und des technischen Know-Hows) mit dieser neuen Form des Arbeitens (gleich gut) zu Recht kommt. Die Antworten auf diese unterschiedlichen Bewältigungsstrategien fanden wir dabei in der Persönlichkeit der Arbeitnehmer vor.
Flexibilisierungstendenzen gab es in der Arbeitswelt bereits lange vor Corona (siehe Abbildung 1). COVID-19 fungiert hier lediglich als „Brandbeschleuniger“, der die Radikalität dieser Prozesse massiv verschärfen wird. Diese Auswirkungen werden für die Arbeitswelt von Morgen (futureWORK) aber auch die Arbeitnehmer und Talente gravierend sein und ein verändertes Anforderungs- und Erwartungsprofil nach sich ziehen.
Abbildung 1
So erfordern flexible Arbeitsformen eine gewisse Art der Selbstorganisation aber auch eine hinreichende Medienkompetenz (etwa der Umgang mit Homeoffice-Techniken). Neben der mit zu bringenden „Flexibilisierungskompetenz“, weisen aber auch nur gewisse Arbeitnehmer bzw. Talente überhaupt die Bereitschaft bzw. das Bedürfnis auf, auch tatsächlich flexibel bzw. ortsungebunden Arbeiten zu wollen.
Wer sind nun diese flexibilisierungs-und homeoffice-affinen Zielgruppen, die gleichzeitig die nötige (Medien)kompetenz, als auch die Bereitschaft für flexible Arbeitsformen auf- und mitbringen?
Ich habe mich der Frage nach diesem „Talent der Zukunft“ bereits aus unterschiedlichen Blickwinkeln angenähert. So sind etwa Univ-Prof. Dr. Astrid Reichel (Universität Salzburg), Dr. Markus Ellmer (Team Echo) und ich unlängst der Frage auf den Grund gegangen, welche Anforderungen und Erwartungen globale Konzerne an Talente richten. Auf Basis dieser Vorstudien sind wir nun mittlerweile recht gut in der Lage das psychografische Profil dieses „Flexiblen-Arbeitstypus“ in den Blick nehmen zu können. Anders formuliert können wir genau jene Persönlichkeitseigenschaften entlang des „5-Factor-Models“ ausmachen, die sich dafür verantwortlich zeigen, ob ein Talent bzw. Arbeitnehmer eher eine hohe „Homeoffice-Affinität“ aufweist, oder das Gegenteil der Fall ist. Abbildung 2 zeigt in dieser Hinsicht das psychografische Profil der flexibilisierungs- und homeoffice-affinen Typologie.
Abbildung 2
Besonders zentral sind hierbei drei Werte, die die Homeoffice-Affinität determinieren. Einmal der sogenannte „Openness Faktor“, der den Grad der Veränderungsbereitschaft einer Person erfasst und in der Regel mit dem Bildungsniveau korreliert. Zum anderen ein hohes Maß an „Conscientiousness“, also der Fähigkeit einer hohen selbstständigen Zielorientierung & Gewissenhaftigkeit, aber auch ein hohes Maß an „Agreeableness“ (=soziale Verträglichkeit). Damit verfügen Personen, die mit den erhöhten Anforderungen einer flexibilisierten Arbeitsweise nicht nur gut zu Recht kommen, sondern diese auch von ihren Arbeitnehmern aktiv einfordern, über eine hohe Veränderungsbereitschaft, also der Fähigkeit mit der gesteigerten Umfeld-Dynamik nicht nur Standhalten zu können, sondern an dieser sogar innovativ zu antizipieren. Diese Antizipation und Innovationskraft darf jedoch im unternehmerischen Kontext nicht planlos ablaufen, sondern vielmehr zielgerichtet entlang spezifischer unternehmerischer Herausforderungen. Zuletzt muss ein Talent bei aller Offenheit, Kreativität und Zielorientierung aber auch bereit sein, dies in einem Team bzw. sozialen Gefäß zu entwickeln (=„Agreeableness“). Nicht ganz zufällig korreliert dieses Bild stark mit den Eigenschaften eines typischen „High-Potentials“, der speziell auch nach der Krise „das (verbriefte) Recht auf Home-Office“ aktiv einfordern wird. Mit diesem Bild des gut gebildeten, häufig urbanen und jungen Talents findet jedoch in vielen Studien und oftmals auch in den Medien ein verengter Diskurs bzw. Blickwinkel zu Lasten jener Personen, die nicht dem Cluster der Hochqualifizierten fallen, statt.
Nicht jeder kann und will Home-Office!
Sieht man sich die jüngsten Studienpublikationen zu den Zustimmungsraten (teilweise über 90%) für das Homeoffice an, so könnte man den Eindruck gewinnen, dass alle ArbeitnehmerInnen dieser neuen und flexiblen Arbeitsform uneingeschränkt positiv gegenüberstehen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ich halte die veröffentlichten Studien für nicht besonders glaubwürdig. Unsere internen Daten verweisen vielmehr auf eine Zustimmungsrate von „lediglich“ 60-70%.
Homeoffice wirkt sich darüber hinaus in erheblichen Maße polarisierend aus, wodurch mit dem Phänomen tendenziell eine starke Zustimmung oder eben auch eine starke Ablehnung einhergeht. Besonders ältere und schlechter gebildete Personen sind mit der neuen Form des flexiblen Arbeitens oftmals überfordert und das bei weitem nicht nur in technischer Hinsicht.
Abbildung 3
Insbesondere Personen (siehe Abbildung 3) mit einen niedrigen „Openness Faktor“ und „Conscientiousness Faktor“ bei einem gleichzeitigem hohem „Agreeableness Faktor“ bringen die für flexibles Arbeiten so nötige Selbstorganisation aber auch Selbstmotivation nicht mit. Mehr noch! Diese Personen sehnen sich nach einem persönlichen Austausch in einer regionalen Struktur.
Sebastian Naderer (April 2020)
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